Kurfürsten, Ritterszenen; Monatsbilder; Wurstsieder; ...
Thema
Kurfürsten, Ritterszenen; Monatsbilder; Wurstsieder; Wappenfolge
Datierung
1320-1336
Bildbeschreibung
4 Zonen, die durch farblose Rahmenbänder voneinander abgegrenzt werden.
ZONE ZWISCHEN DEN DECKENBALKEN
In den 15 verschiedenen Feldern Fabeltiere, im mittleren (7) ein Steinmuster: (1) Drache, (2) Basilisk, (3) Löwe, (4) Fisch (?), (5) Hund, (6) Ungeheuer mit grossem Kopf, (7) Steinmuster (opus sectile), (8) ?, (9) ?, (10) Schnabeldrache, (11) Basilisk (?), (12) ?, (13) Basilisk, (14) Drache mit menschenähnlichem Kopf, (15) Drache mit gewundenem Leib).
WAPPENZONE
Insgesamt 36 Wappenschilde: Sie sind nicht geneigt und unten gerundeter als in der Manessischen Liederhandschrift. Die Namen der Geschlechter sind im über der Wappenzone liegenden Rahmenband angeschrieben. Die Wappen (1) - (13) sind Freiherrengeschlechter, die in Beziehung zum Haus Habsburg standen (Wüthrich 1980, 68). Von den übrigen bestimmbaren Schilden verweisen zehn auf europäische Königshäuser, fünf weitere auf orientalische Kaiser- und Königsgeschlechter.
(1) Grünenberg
(2) Belmont
(3) Bonstetten
(4) Gösgen
(5) Wart
(6) Aarburg
(7) Regensberg
(8) Eschenbach
(9) Rappoltstein
(10) Krenkingen
(11) ?
(12) Ochsenstein
(13) Vaz
(14) König von Schweden
(15) König von Novarra
(16) König von Britannien
(17) König von Stecnberg (?) (Persien)
(18) Santiago de Compostela?
(19) Kaiser ?
(20) ?
(21) König von Esse unter dem Sultan (?)
(22) König von England
(23) König von ?
(24) König von Frankreich
(25) König von Spanien
(26) ?
(27) ?
(28) Aragonien?
(29 König von Schotten
(30) König von Endian?
(31) König von Portugal
(32) König von Norwegen
(33) König von ?
(34) König von ?
(35) König von ?
(36) ?
BILDZONE
Die Bildzone ist mit ganz verschiedenen Bildinhalten bemalt worden.
(1) Eichenranke mit springendem Böckchen.
Links anschliessend fehlen 60 cm der Bemalung. Das 1.85 m breite Bildfeld erstreckt sich bis unter die Decke, nimmt also auch die Wappenzone ein. Escher 1933, 179 u.a. vermuten, es gehöre nicht zum ursprünglichen Bestand, sondern sei eine Ergänzung des 14. Jh. Ein Beweis für diese formal begründete These existiert meines Wissens (RB) nicht.
(2) Wurstsieder an einer offenen Feuerstelle.
Er hebt den Deckel eines Topfs und entnimmt ihm mit einer Zange eine Wurst. Weitere Würste hängen am Rahmenband unter dem Wappenfries.
(3) Monatsmedaillons
Zwölf Medaillons mit den Monatsarbeiten, in zwei Reihen übereinander angeordnet. In den Zwickeln zwischen den Medaillons rote Pflanzenornamente.
Januar: Ein Mann am Feuer hält den ausgezogenen Schuh in der Hand, über seinem Kopf eine Stange mit Würsten wie auf dem Wurstsiederbild.
Februar: Ein Bauer schneidet mit einem sichelartigem Messer einen kahlen Baum
März: Sämann
April: Vornehm gekleidete Frau auf einer Bank, hält mit jeder Hand eine seitlich stehende Stengelpflanze.
Mai: Paar in Badezuber pokulierend, Hintergrund mit Blüten
Juni: Landmann (Saurma: Pilger) mit Stock. Ungedeutet sind die roten Schlangenlinien am Boden
Juli: Mähender Landmann zwischen zwei Bäumen
August: Schnitterin (stark beschädigt)
September: Ein Landmann schneidet eine Traube von einem Rebstock, am Boden ein Bottich
Oktober: Schweineschlachtung
November: Rinderschlachtung: Ein Mann holt mit einer Axt zum Schlag aus
Dezember: Ein sitzender Mann schürt mit einer Gabel die Glut in einem Kachelofen. Er hält sich den Hut schützend vor das Gesicht.
(4) - (6) bilden eine inhaltliche Einheit, die durch den formalen Aufbau und den Hintergrund mit roten Blüten auch formal hervorgehoben wird.
(4) Erste Ritterszene
Links ein grosses Rundbogentor. Davor bietet ein Mann einer Gruppe von Wächtern ein Trinkgefäss (Doppelkopf) dar; in der anderen Hand hält er eine Zinnkanne. Neben ihm steht ein Kind und streckt die Hände bittend vor. Der durch einem Helm ausgezeichnete Anführer der Soldaten wendet sich zurück zu seinen drei Kameraden. Er erhebt gegen den Mann belehrend (ablehnend?) seinen rechten Zeigefinger und hält in der linken das erhobene Schwert. Alle Soldaten tragen wie ihr Anführer Kettenhemden und kurze Röcke, anstelle des Helms jedoch eine Hirnhaube; der vorderste stützt sich auf eine Lanze und hat ein Schwert umgebunden. Hinter ihnen erhebt sich ein aus drei Baukörpern zusammengesetzter Torbau, aus dessen Fenster eine Frau blickt. Davor sitzt ein Hund.
(5) Kaiser und Kurfürsten
In der Mitte sitzt der Kaiser frontal auf einem Thron, in den Händen Schwert und Reichsapfel. Links stehen die drei geistlichen Kurfürsten in Ziviltracht (als Kanzler und Wähler) neben ihren Wappen; rechts die vier weltlichen in ritterlicher Kampfkleidung mit ihren Wappenschilden. Die Kurfürsten sind im Rahmenband zwischen Bild- und Wappenzone angeschrieben.
(6) Zweite Ritterszene
Am linken Bildrand stehen zwei Tortürme, ähnlich wie auf der ersten Ritterszene. Aus einem Fenster schaut ein Wächter. Vor dem Turm stehen fünf Soldaten. Sie sind gleich gekleidet wie auf der ersten Ritterszene. Der mittlere von ihnen deutet mit seinen Händen gegen die Tortürme. Von rechts hat sich den Soldaten ein Mann genähert, der an der Hand einen Greis oder einen Behinderten mit Stock führt. Er scheint mit den Soldaten zu verhandeln und deutet mit dem Zeigefinger auf seinen Schützling.
Zur Interpretation von Ritterszenen und Kurfürstenbild vgl. Escher 1933, 261f., Wüthrich 1980, 66 und Codex Manesse 1988, 327.
Escher: Familie Bilgeri in Ausübung ihrer karitativen Tätigkeit
Wüthrich: Vor den Toren der Stadt Zürich und im weiteren Sinne des Reiches spielen sich karitative Szenen ab. Links begibt sich ein Bürger aus einer anderen Stadt in den Schutz der Stadt Zürich, rechts begehrt ein Landmann mit seinem Schützling Aufnahme.
SOCKELZONE
Sockeldraperie in Form eines Pelzbehangs
Inschriften
Überschriften der Wappen und der Kurfürsten siehe Wüthrich 1980, 68-70
Technik
Fresco (Wüthrich 1980, 51); Kalktempera (Escher 1933, 179 nach Angaben der Firma Schmidt)
Bildmasse
L 15, H 3 m (Frei 1933, 38)
Vorzeichnung und Farbigkeit
polychrom
Erhaltung
abgelöst (mit Ausnahme von einzelnen Fabeltieren und dem grössten Teil des Pelzbehangs)
Zustand
restauriert mit zahlreichen Retuschen
Restaurierung
Im späten 15. und im 16. Jh. zweimal übermalt. Am 23.12.1932 entdeckt und 1933 durch E. Dilenna und E. Gubler von der Firma Chr. Schmidt und Söhne freigelegt, als Strappo abgelöst und auf Leinwand übertragen. Zweitrestaurierung 1967 von Hans-Christoph Imhoff (Wüthrich 1980, 51f.)
Ikonographische Tradition
Monatsbilder: häufig in der sakralen Kunst als Reliefs (Kathedrale von Amiens u.a.) und als Wandmalerei (Konstanz, Münster, Deckenfries im Chor). Literaturhinweise bei Wüthrich 1980, 59. Vgl. auch Escher 1933, 251f. Die Motive der Monatsbilder im Langen Keller gehören zur Hauptsache der nördlichen Tradition an. Ausnahmen bilden der März, April und September, die der südlichen Tradition zuzuweisen sind. Ungewöhnlich sind das Juni- und Oktoberbild.
Kurfürsten: älteste gemalte Darstellung. Als Skulpturen kommen sie vor in
- Aachen, Grashaus, kurz nach 1267
- Mainz, ehem. Kaufhaus, Relieffiguren, 1317.
Eine weitere, gemalte Darstellung im Hansa-Saal des Rathauses von Köln (Escher 1933, 257)
Das siebenköpfige Kurfürstenkollegium trat erstmals bei der Doppelwahl von 1257 zusammen und erlangte 1273 nach der Wahl von Rudolf von Habsburg jene Bedeutung, die es jahrhundertelang beibehielt (Wüthrich 1980, 62; anders bei Escher 1933, 256). Die Darstellung des Königs entspricht der auf Siegeln üblichen (Escher 1933, 254, Wüthrich 1980, 63).
Wand
W-Wand
Datierung der Wandmalerei in der Forschung
vor 1336 (damals Entmachtung der Familie, vgl. Zeitgeschichte)
1330er Jahre (Architekturen, Kleidermode; Saurma-Jeltsch in Codex Manesse 1988, 328)
1. Viertel 14. Jh., vielleicht ganz frühes 14. Jh. (Kleidermode, u.a. Helme, historische Argumente älterer Autoren; Wüthrich 1980, 51-53)
3. Jz. 14. Jh./1324? (Wappen Vaz/Ochsenstein vermutlich nach Hochzeit von Donat von Vaz mit Guta von Ochsenstein 1320, Besitzteilung der Bilgeri 1324, vgl. Besitzergeschichte; Claparède 1973, 93)
vor 1308 (Wappen Wart und Eschenbach bilden einen Terminus ante quem wegen der Ächtung dieser Geschlechter nach dem Mord an König Albrecht I.; König Albrechts Besuch in Zürich könnte Anlass für Ausmalung gewesen sein; Escher 1933 und ihm folgend andere Autoren wie Knoepfli 1961, 136. Begründung ist nicht stichhaltig).
Auftraggeber
Ein Angehöriger der Familie Bilgeri
Biographie
Die Bilgeri waren Lehensträger der Habsburg-Laufenburg; vermutlich sind sie durch Handel zu Reichtum gekommen (Schneider 1989, 128; 157)
Zeitgeschichte
Bei der Einführung der Brunschen Zunftverfassung 1336 wurden vier Mitglieder der Familie verbannt, und zwei zum Verzicht auf jeglichen Anteil an der Regierung gezwungen. Einzelne Repräsentanten der Bilgeri nahmen am gescheiterten Umsturzversuch von 1350 teil. Rudolf Bilgeri fand dabei in einem Handgemenge den Tod, zwei andere Mitglieder wurden hingerichtet. Die Macht der Bilgeri war damit endgültig gebrochen. Die Familie ist noch bis 1400 nachweisbar (Escher 1933, 263).
Schlagworte
WappenFabelwesen: Drache
Fabelwesen: Basilisk
Hund
Löwe
Wurst
Bauer
Sense
Krieger
Kochen
Badeszene
Bottich
Schlachtung
Schwein
Kuh
Ofen
Feuer
Säen
Kurfürst
Trinkgefäss: Becher
Krug
Stab/Stock
Greis/Greisin
Wächter
Tor
Medaillon
Fehbesatz (Pelzwerkimitation)
Rebe
Fabelwesen
König/Kaiser
Opus sectile
Rankenwerk
Monatsbild
Waffe: Dolch
Waffe: Schwert
Herrscher, thronend